Einführung

Documenta11_ Timeline
Die documenta-Ausstellungen
Literatur zur Geschichte der Documenta
Graphisches Erscheinungsbild



Documenta11_Timeline

Am
26. Oktober 1998 wurde Okwui Enwezor vom Kasseler Oberbürgermeister Georg Lewandowski im Namen des Berufungskomitees zum neuen künstlerischer Leiter der Documenta11 ernannt.

Das Konzept der Documenta11, ausdrücklich transnational, interdisziplinär und generationsübergreifend in seinem Anliegen, entwickelte Enwezor gemeinsam mit seinem internationaler Team, den sechs
Co-KuratorInnen Carlos Basualdo, Ute Meta Bauer, Susanne Ghez, Sarat Maharaj, Mark Nash und Octavio Zaya, die am 12. Oktober 2000 der Öffentlichkeit vorgestellt wurden.

Die Documenta11 besteht aus einer Folge von fünf
Plattformen, die auf vier Kontinenten über den Zeitraum von 18 Monaten zwischen März 2001 und September 2002 umgesetzt wurden und ist inhaltlich, geographisch und zeitlich weiter gefasst als das Format der 100 Tage vorangegangener documenta-Ausstellungen. Die ersten vier Plattformen waren als engagierte öffentliche und diskursive Interventionen angelegt, wurden in spezifischen Gemeinschaften ausgetragen und behandelten Themen, die aktiv und kritisch die zeitgenössischen Problematiken von Kunst, Politik und Gesellschaft untersuchten. Viele Institutionen, darunter die Akademie der bildenden Künste Wien/Institut für Gegenwartskunst, das Haus der Kulturen der Welt und der Deutsche Akademische Austauschdienst DAAD aus Berlin, der Prince Claus Fund for Culture and Development, Den Haag, das India Habitat Centre, Neu-Delhi, die Rockefeller Foundation, New York, die Ford Foundation, New York, CODESRIA (Council for the Development of Social Science Research in Africa), Dakar und das Goethe Institut Lagos, bildeten mit der Documenta11 ein Netzwerk von Partnern, Organisations- und Gesprächspartnern und waren maßgeblich an der Umsetzung der Plattformen beteiligt.

Die
erste Plattform, Demokratie als Unvollendeter Prozess, fand vom 15. März bis zum 20. April 2001 in Wien statt und wurde vom 9. bis zum 30. Oktober 2001 in Berlin fortgesetzt. Plattform2 trug den Titel Experimente mit der Wahrheit: Rechtssysteme im Wandel und die Prozesse der Wahrheitsfindung und Versöhnung und fand vom 7. bis zum 21. Mai 2001 in Neu-Delhi statt. Die Plattform2 bestand aus einem fünftägigen Programm von Podiumsdiskussionen, Vorträgen und Diskussionen und einem Videoprogramm mit über 30 Dokumentar- und Spielfilmen. Die dritte Plattform, Creolité und Kreolisierung, wurde auf der westindischen Insel St. Lucia in der Karibik vom 12. bis zum 16. Januar 2002 veranstaltet und versammelte eine Gruppe von 15 WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen und DichterInnen zu einem intensiven dreitägigen Workshop. Plattform4, Unter Belagerung: Vier afrikanische Städte, Freetown, Johannesburg, Kinshasa, Lagos, fand vom 15. bis zum 21. März 2002 in Lagos, Nigeria, statt und behandelte in einer öffentlichen Podiumsdiskussion und in dem mit CODESRIA veranstalteten Workshop „Urban Processes in Africa“ den aktuellen Zustand rapide wachsender urbaner Zentren in Afrika. Über den Zeitraum eines Jahres beteiligten sich über 80 internationale TeilnehmerInnen – PhilosophInnen, SchriftstellerInnen, KünstlerInnen, ArchitektInnen, politische AktivistInnen, JuristInnen, WissenschaftlerInnen und andere kulturell Aktive – an der Entwicklung eines dynamischen öffentlichen Raums und dem Versuch, ein kritisches Modell der Verknüpfung unterschiedlicher kultureller und künstlerischer Arbeitsweisen innerhalb des zeitgenössischen globalen Kontextes zu entwickeln.

Im
Februar 2001 ging die Webseite der Documenta11 (www.documenta.de) online. Sie wird nicht nur als Quelle praktischer Informationen genutzt, sondern ermöglicht auch Zugang zu den Plattformdiskussionen, um somit den Forschungsprozess, der die Documenta11 seit ihrem offiziellen Beginn im März 2001 geprägt hat, transparent zu machen. Die Videosektionen der Webseite, auf denen seit dem 23. April 2001 jeder Plattformbeitrag als „Real Video“-Ausstrahlung abrufbar ist, ist ein entscheidender Schritt in diese Richtung.

Am
8. Oktober 2001 veröffentlichten die Documenta11 und point d’ironie, das von agnès b. herausgegeben und von Hans-Ulrich Obrist redaktionell betreut wird, die erste Ausgabe in einer einjährigen gemeinsamen Zusammenarbeit, die vom Künstler Thomas Hirschhorn gestaltet wurde. Die zweite Ausgabe, gestaltet von Yona Friedman, erschien am 15. Januar 2002. Die dritte Ausgabe wird von Hanne Darboven entworfen.

Am
4. Februar 2002 begann thinking and doing Documenta11, ein Programm öffentlicher Vorträge und Künstlergespräche, Seminare und Workshops zur Ausbildung des Documenta11 Führungspersonals. Das Programm wurde von den Documenta11 Ko-KuratorInnen Sarat Maharaj – der bereits zuvor ein Seminar an der Humboldt Universität Berlin unter dem gleichen Titel veranstaltete – und Ute Meta Bauer sowie den Verantwortlichen des Documenta11 Education Projects Oliver Marchart und Karin Rebbert entwickelt, um die konzeptuellen und organisatorischen Prozesse der Documenta11 transparent zu machen. Thinking and doing Documenta11 besteht aus fünf Segmenten, die über den Zeitraum von fünf Monaten abgehalten wurden und beschäftigte sich mit den zentralen Anliegen der fünf Plattformen der Documenta11. Darüber hinaus wurden die historischen, sozialen und institutionellen Rahmenbedingungen zeitgenössischer künstlerischer Produktion und Rezeption sowohl in Seminaren für die 120 Guides des Documenta11 Besucherdienstes als auch in öffentlichen Vorträgen diskutiert. In diesem fortlaufenden Projekt stellen internationale Kulturschaffende und Documenta11 KünstlerInnen ihre Arbeit vor. Die Documenta11 versucht darüber hinaus, den kritischen Dialog mit jungen Kunst- und Kulturschaffenden zu verstärken. Zu diesem Ziel hat das Documenta11 Education Project ein Stipendiatenprogramm eingerichtet. Am 4. März 2002 begannen neun junge KuratorInnen, KünstlerInnen und ForscherInnen aus Mexiko, Japan, Indien, Belarus, den USA, Deutschland und Österreich ihre Arbeit in Kassel an der Entwicklung der fünften Plattform.

Am
28. Februar 2002 wurde das junge Architekturbüro Kühn Malvezzi vorgestelt, das ausgewählt wurde, die Ausstellungsräume der Documenta11 zu gestalten. Die deutsch-italienische Architektenpartnerschaft wurde 2001 in Wien gegründet und besteht aus Wilfried Kühn, (*1967), Johannes Kühn (*1969) und Simona Malvezzi (*1966). Kühn Malvezzi entwickelte für unseren neuen Ausstellungsstandort in der Binding Brauerei ein elegantes, verständliches und differenziertes Raumdesign. Die Größe dieses Ausstellungsraums bedeutet einen gewichtigen Zuwachs an Gesamtausstellungsfläche und ermöglicht eine großzügige, konzentrierte Auseinanderstzung mit den einzelnen Kunstwerken. Die 1897 erbaute Brauerei wurde im Laufe ihrer Geschichte viermal erweitert und vor zwei Jahren stillgelegt. Der stilistisch sehr heterogene Gebäudekomplex ist der Ausgangspunkt für Kühn Malvezzis architektonischen Gesamtentwurf für die Documenta11. Die ArchitektInnen entwickelten ein flexibles Rastersystem, das durch minimale Eingriffe in die Bausubstanz und deren teilweise denkmalgeschützten Fassaden diesen bislang kunstfremden Ort zu einem idealen Ausstellungsraum werden lassen. Zentrum des Projekts ist ein Netzwerk von Wegen, das verschiedene Raumfolgen miteinander verbindet und dadurch eine Vielzahl von neuen Begegnungen zwischen den BesucherInnen und den Kunstwerken ermöglicht. Neben der Binding-Brauerei bespielt die Documenta11 auch das Fridericianum, die Karlsaue, die documenta-Halle, den Kulturbahnhof und einige Außenstandorte in der Stadt. Ein Installationsteam von 120 MitarbeiterInnen arbeitete seit dem 4. März 2002 in den Gebäuden.

Aus Anlass der Documenta11 gab der Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel, am
2. Mai 2002 ein Sonderpostwertzeichen und eine 10 Euro Gedenkmünze heraus.

Am 30. April 2002 stellte die Documenta11 die Liste mit den 116 eingeladenen KünstlerInnen und KünstlerInnengruppen der Öffentlichkeit vor. Wenn wir am 8. Juni 2002 die Eröffnung der fünften Plattform der Documenta11 feiern, blicken wir auf fast vier Jahre Arbeit, Forschung, öffentlicher Diskussionen und Aktivität, die die Grundlage des Projektes darstellen. Während der 100 Tage der Ausstellung wird ein Programm mit KünstlerInnenpräsentation, Konzerten, Performances und Workshops sowie ein Filmprogramm den großzügigen Rahmen und den forschenden Charakter der Ausstellung unterstreichen.




Die documenta-Ausstellungen

Der Kasseler Maler und Akademieprofessor Arnold Bode versuchte 1955 nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges durch eine "Präsentation der Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts" Deutschland wieder in einen Dialog mit der Welt zu bringen und in das internationale Kunstgeschehen einzubeziehen.

Mit Hilfe der von ihm gegründeten "Gesellschaft Abendländischer Kunst des XX. Jahrunderts e.V." präsentierte er im noch zerstörten Museum Fridericianum die von den Nationalsozialisten als entartet diffamierte und bis dahin in Deutschland kaum gezeigte klassische Moderne.

Die erste documenta war eine Retrospektive mit Arbeiten aller bedeutenden Gruppierungen (Fauvismus, Expressionismus, Kubismus, Blauer Reiter, Futurismus) und genialer Einzelgänger wie Pablo Picasso, Max Ernst, Hans Arp, Henri Matisse, Wassily Kandinsky oder Henry Moore. In diesem Gang durch die Kunstgeschichte der ersten 50 Jahre des 20. Jahrhunderts wurden neben den Klassikern der Moderne auch die deutschen Begründer der Moderne wie Paul Klee, Oskar Schlemmer oder Max Beckmann vorgestellt.

Ein enormer Nachholbedarf an Informationen veranlaßte 130 000 Besucher, zu dieser Werkschau, die Retrospektive und Forum aktueller Kunst zugleich war, nach Kassel zu kommen.

Durch den unerwarteten Erfolg ermutigt, plante Bode für 1959 eine zweite Ausstellung und installierte damit den Ausstellungszyklus der Kasseler documenta, die seit 1959 durch eine GmbH mit den Gesellschaftern Stadt Kassel und Land Hessen organisiert wird.

Bis zur documenta 4 im Jahr 1968 leitete Arnold Bode zusammen mit renommierten Kunsthistorikern wie Werner Haftmann, Will Grohmann, Werner Schmalenbach und Max Imdahl die Ausstellung, die immer mehr zum Seismographen aktueller Kunstentwicklungen wurde.

Mit Harald Szeemann als "Generalsekretär" begann 1972 ein neues Konzept der Ausstellungsleitung. Eine internationale Jury beruft seitdem im Auftrag des Aufsichtsrates der documenta GmbH zu jeder Ausstellung einen neuen künstlerischen Leiter. Mit Catherine David gab es 1997 zum ersten Mal eine Ausstellungsleiterin. Jede documenta war geprägt von der Idee und dem persönlichen Konzept eines einzelnen Ausstellungskurators und wurde somit nicht nur ein Forum für die aktuellen Tendenzen der Gegenwartskunst, sondern auch ein Ort innovativer Maßstäbe setzender Ausstellungskonzepte.

Jede documenta prägte auf ihre Art das internationale Gespräch über Kunst. Die Institution documenta hat sich in den letzten 4 Jahrzehnten als ein Unternehmen etabliert, das weit über das einfache Präsentieren von zeitgenössischer Kunst hinausweist. Die Diskussionen der internationalen Kunstwelt bündeln sich alle 5 Jahre in dem sogenannten "Museum der 100 Tage". Die hier stattfindenden Auseinandersetzungen und die Dynamik der Diskussion um die jeweilige Konzeption der documenta (und um ihre(n) künstlerische(n) LeiterIn) spiegeln die Erwartungen der Gesellschaft an Kunst wider.




Literatur zur Geschichte der documenta

Politics-Poetics: documenta X – das Buch. Hrsg. von documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs GmbH. Idee und Konzept: Catherine David und Jean-Francois Chevrier.
Ostfildern-Ruit: Cantz-Verlag, 1997.

Sybrandt van Keulen: The Arts of Our Time. In: Kunst&Museumsjournal 1/2/3, 1997, S. 105-123.

Harald Kimpel: documenta: Mythos und Wirklichkeit.
Köln: DuMont, 1997. (Schriftenreihe des documenta Archivs; Bd. 5) - (Zugl.: Kassel, Univ., Diss., 1996) 
(Hier auch weiterführende Literaturangaben) 

documenta. kunst des XX. jahrhunderts.
internationale ausstellung im museum fridericianum in kassel. 
München: Prestel, 1955. Unverändertes Reprint der Originalausgabe von 1955, München/New York: Prestel, 1995

Walter Grasskamp: Kassel New York Cologne Venice/Kassel Nova York Colònia Venècia. In: Hans Haacke „Obra Social“. Barcelona: Fundació Antoni Tàpies, 1995, S. 11-23.

Harald Kimpel / Karin Stengel: documenta 1955.
Erste Internationale Kunstausstellung - eine fotografische Rekonstruktion.
Bremen: Edition Temmen, 1995. (Schriftenreihe des documenta Archivs; Bd. 3)

Ulrike Wollenhaupt-Schmidt: documenta 1955.
Eine Ausstellung im Spannungsfeld der Auseinandersetzungen um die Kunst der Avantgarde 1945-1960. 
Frankfurt a. M. u.a.: Lang, 1994. 
(Europäische Hochschulschriften: Reihe 28, Kunstgeschichte; Bd. 219) - (Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 1992)

Benjamin Katz: DOCUMENTA IX vor DOCUMENTA IX.
Photographien.
Ostfildern-Ruit: Edition Cantz, 1992.

Jan Hoet: Auf dem Weg zur DOCUMENTA IX.
Ostfildern-Ruit: Edition Cantz, 1991.

Manfred Schneckenburger (Hrsg.): Documenta - Idee und Institution: Tendenzen, Konzepte, Materialien.
München: Bruckmann, 1983 (Pantheon-Colleg) 
vergriffen




Graphisches Erscheinungsbild

Okwui Enwezor, der künstlerische Leiter der Documenta11, hat sich für den Entwurf des Künstlers und Designers Ecke Bonk zum graphischen Erscheinungsbild der Documenta11 entschieden.

Ecke Bonk, selbst Teilnehmer der documenta X im Jahre 1997, entwarf bewusst eine nach eigener Aussage "unterkühlte Wortmarke" ("a chilled logo-type"), die sich von den herkömmlichen Corporate Identity-Modellen der Industrie unterscheidet.

Ecke
Bonk definiert die Documenta11-Wortmarke als "technisches Instrument, das seine graphische Prägnanz erst durch den Einsatz und Gebrauch entfalten kann. Da die graphischen Vorgaben minimalistisch sind, entsteht ein maximaler inhaltlicher Definitionsrahmen, der durch keinerlei vordergründige visuelle Lautstärke eingeschränkt ist."

Im letzten Jahr war ein begrenzter Wettbewerb zum graphischen Erscheinungsbild der Documenta11 ausgeschrieben worden, zu dem sieben hochrangige Designer und Künstler eingeladen wurden. Die künstlerische Leitung entschied sich nach der Präsentation für den Entwurf von Ecke Bonk, der in der Tradition dessen Ende der achtziger Jahre gegründeten "typosophic society" steht.