Okwui Enwezor

Künstlerischer Leiter der Documenta11 ist der gebürtige Nigerianer Okwui Enwezor. 1997 leitete er die 2. Biennale in Johannesburg. Enwezor fester freier Kurator für zeitgenössische Kunst am Art Institute von Chicago. Des weiteren ist er Herausgeber und begründender Redakteur von Nka: Journal of Contemporary African Art, einer kritischen Kunstzeitschrift, herausgegeben in Zusammenarbeit mit dem African Studies Center der Cornell University. Als Dichter, Kritiker und Kurator hat Enwezor zahlreiche Beiträge über zeitgenössische afrikanische Kunst und Künstler veröffentlicht, ebenso über amerikanische und internationale Kunst und Künstler. Seine Essays sind in verschiedenen internationalen Ausstellungskatalogen und Büchern erschienen wie z.B. Future, Present, Past (47. Venedig Biennale), Inklusion Exklusion (Steirischer Herbst, Graz, Österreich), Crossing: Time, Movement, Space (Art Museum, University of South Florida, Tampa), Interzones (Kunstforigen, Kopenhagen), Transforming the Crown (Studio Museum in Harlem and Bronx Museum), Contemporary South African Art: Gencor Collection (Jonathan Ball Publishers, Johannesburg), Democracy´s Images: Photography and Visual Art after Apartheid (BildMuseet).

Als Kritiker ist Enwezor Korrespondent von Flash Art, beratender Redakteur von Atlantica (einer zweisprachigen Veröffentlichung des Museo Centro Atlantico de Arte Moderno, Kanarische Inseln), freier Redakteur von aRude und schreibt regelmäßig Beiträge für, unter anderen, Frieze, International Review of African-American Art, Third Text, Index on Censorship, Glendora Review, Africa World Review, African Profiles International und SIKSI.

Enwezor war einer der Redner von 100 Tage-100 Gäste (documenta X, Kassel, 1997), und hielt Vorträge an der Ecole des Beaux Arts Superieur (Paris), am Royal College of Art (London), Moderna Museet (Stockholm), der National Arts Academy (Oslo), dem Center for Curatorial Studies, Bard College (Annandale on Hudson, New York), an der Humboldt Universität zu Berlin, der Columbia University New York und der Hamburger Kunsthalle.

Er war als Co-Kurator tätig für In/sight: African Photographers, 1940-Present, einer Ausstellung des Guggenheim Museums in New York. Außerdem für Modern Life im Alijira Center for Contemporary Art, in Zusammenarbeit mit dem Newark Museum, für Mirror´s Edge, Bild Museet, und für Umea and Kiasma: Museum für Zeitgenössische Kunst, Helsinki. Mit einer internationalen Gruppe von Kuratoren bereitete er eine umfassende Übersicht der konzeptuellen Kunst für die Global Conceptualism Ausstellung des Queens Museum (New York) im April 1999 vor. Für das Jahr 2000 organisierte Enwezor eine Übersicht über die Arbeit des südafrikanischen Fotografen David Goldblatt für die New Yorker Equitable Gallery sowie für 2001/2002 die Ausstellung The Short Century: Independence and Liberation Movements in Africa, 1945-1994 (München, Berlin, Chicago, New York).

Gemeinsam mit Olu Oguibe gab Enwezor Reading the Contemporary: African Art, From Theory to the Marketplace (Institute for International Visual Arts: INIVA, London und MIT Press, 1999) heraus. Er schrieb Beiträge zu CREAM. Contemporary Art and Culture (Phaidon Press, London, 2000). Enwezor war Mitglied in den verschiedensten Juries und Kommittees, wie beispielsweise der Jury für den Hugo Boss Preis am Guggenheim Museum in 1998, und er war Mitglied des internationalen Beraterkommittees für den 1999 Carnegie International. Er ist der Empfänger des Peter Norton Family Foundation Curator´s Preises. Zur Zeit bereitet Okwui Enwezor ein Buch über die Praxis der zeitgenössischen afrikanischen Künstler der 90er Jahre vor, das den Titel Structural Adjustments tragen wird. Er lebt in Kassel und New York.


Auswahl von Pressereaktionen
auf die Nominierung Okwui Enwezors:


Der große Mann aus Afrika

[ ... ] Der neue documenta-Leiter Okwui Enwezor, Mitte 30, temperamentvoll und ein Mann von stattlicher Statur, ist eine absolute Überraschung, aber keine schlechte. Es wurde in den letzten Jahren zwar viel vom Blick über die Grenzen und Kanäle der westlichen Kunstwelt geredet, aber sehr viel weniger danach gehandelt. Dies könnte sich jetzt ändern, und genau diese Erwartung wird auch an Enwezor gerichtet. Kassel, der Kunstszene und der documenta konnte kaum etwas besseres passieren. [ ... ]
Christoph Blase, Blitz Review, 26.10.1998


Neuer Chef der "documenta" will die Kontinente verbinden

Nach zehn künstlerischen Leitern aus Europa hat die Weltkunstausstellung "documenta" erstmals auf dem Chefposten mit der Globalisierung Ernst gemacht. Mit Okwui Enwezor (35), dem Leiter der "documenta" 11 im Jahr 2002, wird erstmals ein Afrikaner für die Schau Künstler und Werke aussuchen. [ ... ] Enwezor kündigte an, er werde das Thema Globalisierung aufgreifen. Als Chef der "documenta" wolle er interdisziplinär arbeiten. Der Austausch von Städten und Kulturen in der globalisierten Welt interessiere ihn besonders. "Afrika, Asien oder Europa - das ist nicht das Wesentliche. Es kommt darauf an, wie man mit Kunst in der Moderne noch arbeiten kann", sagte er in Kassel. Es beschäftige ihn, welche Folgen für die Kunst der engere Austausch von Städten und Kulturen habe. Auf Afrika als Kunst-Kontinent werde er kein besonderes Schwergewicht legen: "Kontinent - das ist heute egal".
Frankfurter Neue Presse, 27.10.1998


Ferner Blick-Hoffnungslauf: Okwui Enwezor und die documenta 11

[ ... ] Deswegen überrascht nicht so sehr die mit routinierter Eile erfolgte Wahl Enwezors zum künstlerischen Leiter der elften documenta: was überrascht, ist die Entschlossenheit der Findungskommission, trotz aller Kontroversen den Richtungswechsel zu bestätigen. [ ... ]
Ilona Lehnhart, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.10.1998


Documenta XI – Der doppelte Blick von außen

In drei Beratungsrunden hat die Findungskommission den neuen documenta-Leiter gekürt: Der aus Nigeria stammende Amerikaner Enwezor wurde durch die Johannesburg Biennale bekannt.
So frühzeitig vor dem Ausstellungstermin stand bisher kein künstlerischer Leiter der documenta fest. Der in Amerika lebende Kritiker und Kurator Okwui Enwezor hat dreieinhalb Jahre Zeit, um sein Konzept für die documenta XI zu entwickeln und umzusetzen. Wie er gestern in der Pressekonferenz unmittelbar nach seiner Berufung durch den Aufsichtsrat andeutete, wird er wahrscheinlich ein Team aus mehreren Kuratoren bilden. Zu seinen inhaltlichen Vorstellungen wollte er noch nichts sagen. Der Ausstellungskurator machte allerdings deutlich, daß auch er die documenta in Kassel als ein 100-Tage-Ereignis begreife. Zwar könne er jetzt noch nicht erklären, ob er einen ähnlichen Diskussionsprozeß wie die Reihe "100 Tage - 100 Gäste", die als eine der Attraktionen der vorigen documenta galt, anstoßen werde, doch könne er sich ähnliche Veranstaltungen vorstellen. Auf jeden Fall werde jeden Tag etwas passieren. [ ... ] Der neue künstlerische Leiter unterstrich, daß er die interdisziplinäre Arbeit bevorzuge. Dabei gehe es ihm immer wieder darum, nationale und kulturelle Barrieren zu überwinden und neue Wege zu finden, um mit Hilfe der Kunst die Moderne zu reflektieren und die Kunst im Verhältnis zum Ort sichtbar zu machen. Als ein aus Afrika stammender Ausstellungsmacher sieht er sich keinesfalls in der Rolle, nun die documenta zum Forum für die afrikanische Kunst zu machen. Die in der Vergangenheit geführte Debatte, wie man mit der Kunst der sogenannten Dritten Welt umgehen solle, interessiert ihn nicht. Er blickt auf die Kunstszene aus einer internationalen Perspektive - in der allerdings Afrika auch seinen Platz hat. [ ... ]
Dirk Schwarze, HNA, 28.10.1998


Weltkunstkenner-Okwui Enwezor, Leiter der documenta XI

Er gilt als profunder Kenner der zeitgenössischen Kunst. Doch das ist offenbar nicht der Grund, warum der in Nigeria geborene Autor und freie Kurator Okwui Enwezor unter rund 30 Kandidaten zum künstlerischen Leiter der 11. Documenta (8. Juni bis 15. September 2002) berufen wurde. Man habe sich für ihn vor allem wegen der besonderen Lesbarkeit seiner Ausstellungen entschieden, sagte Saskia Bos, Sprecherin der achtköpfigen Findungskommission. [ ... ]
Elke Bockhorst, Frankfurter Rundschau, 28.10.1998


Weltblick – Okwui Enwezor aus Nigeria ist der neue Leiter der documenta

Mit der Berufung des aus Nigeria stammenden Amerikaners Okwui Enwezor zum künstlerischen Leiter hat die Kasseler documenta endgültig die europäischen Fesseln abgestreift. Enwezor ist der erste Nicht-Europäer an der Spitze der Ausstellung, die sich seit langem als Weltkunstschau begreift, aber immer auf Europa und die westliche Welt ausgerichtet war. [ ... ] Jetzt also gewinnt die documenta zum Eintritt ins neue Jahrtausend die Chance, die Kunst aus einer globalen Perspektive zu spiegeln. [ ... ] Wie Saskia Bos als Sprecherin der Kommission vor der Presse erklärte, habe Enwezor aufgrund seiner vorzüglichen Kenntnisse zeitgenössischer Kunst überzeugt. Außerdem verspreche man sich von ihm einen spannenden neuen Blick auf die Welt der Kunst. Auch erwarte man von ihm, daß er einen wirklichen Dialog der Kunst einleiten könne.[ ...]
rze, Süddeutsche Zeitung, 28.10.1998


Verspielter Intellektueller

[ ... ] Ein Kurator, sagt Enwezor, sei nicht nur ein Wegbereiter und Erleichterer, sondern auch ein Konzeptualist. Der Künstler sei auch ein Übersetzer, und Kunst sei nicht nur Ästhetik, sondern auch Ideologie, nicht nur " Phänomen", sondern eine Sprache, die herausfordere und unser Verhältnis mit der Welt kompliziere. Er sei nicht bereit, Kunst " bis zur Absurdität" zu vereinfachen, sagt er. So war es wohl nicht Zufall, daß bei der Johannesburger Biennale Fotos, Filme, Computer- und Videokunst eine herausragende Stellung einnahmen: Mit dem Titel der Johannesburger Biennale - Handelsrouten - hatte Okwui Enwezor ein Thema einbringen wollen, das ihn vor vielen anderen beschäftigte, und das gewiß auch in Kassel zu spüren sein wird. Die Globalisierung der Welt neige dazu, kulturelle, soziale, politische und wirtschaftliche Konflikte einzuebnen und zu neutralisieren. Der Künstler und der Kurator müßten sich hüten, diese Tendenz eines doktrinären globalen Schmelztopfs zu verschärfen. Zudem dürfe Globalisierung keinesfalls als Nähe zum Westen mißverstanden werden. Daneben gebe es viele andere wichtige politische, philosophische und kulturelle Räume, die zur gemeinsamen Diskussion beitrügen.
Robert Lucius, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.10.1998


In Kassel endet die Eurozentrik – Enwezor leitet

Der Leiter der elften documenta wird ein veritabler Weltbürger sein. Mehr als 30 Kandidaten standen für den Kasseler Kunstsommer im Jahr 2002 zur Debatte, jetzt hat [ ... ] die Leiterin der Findungskommission, die Niederländerin Saskia Bos, den einstimmig gewählten Sieger vorgestellt. Nachfolger von "d10"-Chefin Catherine David wird Okwui Enwezor. Damit zeichnet erstmals kein Europäer der Kasseler Weltkunstschau die programmatischen Leitlinien vor. Der 1963 in Nigeria geborene Enwezor studierte Politik und Literatur in den USA, hat einen amerikanischen Paß und lebt heute in Südafrika und New York; der Kunstkritiker und Lyriker war Herausgeber einer Zeitschrift für zeitgenössische afrikanische Kunst und Organisator der vielbeachteten Johannesburg-Biennale - das Profil eines documenta-Machers in Zeiten der Globalisierung. Jetzt will Enwezor bei seinem Engagement in Kassel die Grundsatzfrage stellen: Welche Folgen hat die globale Vernetzung, der enge Austausch zwischen den Kulturen für die Kunst? [ ... ] Und Okwui Enwezor hat nun den Ruf eines intelligenten, aber praxisbezogenen Kunstvermittlers, bei dem der Anschauungswert nicht ohne weiteres auf der Strecke der Theorie bleibt. Nicht zuletzt seine Fähigkeit, " fürs Publikum lesbar zu machen", hat ihm den Ruf nach Kassel eingebracht. Und eben: daß er sozusagen in persona eine andere Sichtweise repräsentiert als die auf Weltkunstausstellungen tradierte. [ ... ] Mit ihm verspricht die documenta einmal mehr die Spannung, von der sie lebt.
Volker Baumeister, Badische Zeitung, 28.10.1998


Einfach genial – Zur Ernennung des neuen Documenta-Leiters Okwui Enwezor

[ ... ] Jedenfalls markiert die Ernennung Okwui Enwezors einen Generationswechsel. Daß Catherine David als Mittdreissigerin Leiterin der Documenta wurde, hätte auch eine Ausnahme von der Regel sein können. Doch mit der Kür Enwezors wird auch deutlich, wen die Kasseler Jury eben gerade nicht genommen hat. Die Platzhirsche mit imposanter Biographie und gesicherter Lebensstellung haben in Sachen Documenta ganz offensichtlich fürs erste ausgespielt. [ ... ]
Ulrich Clewing, Tagesspiegel, 28.10.1998


Nigerian to Direct Next Documenta

The artistic director of the next Documenta exhibition in Kassel, Germany, will be Okwui Enwezor, a Nigerian critic and independent curator who lives in New York. [ ... ] The selection of Mr. Enwezor indicates the determination of Documenta and of Kassel, to keep their hats in an increasingly competetive international ring. [ ... ] Speaking from Kassel by telephone, Mr. Enwezor described himself as profoundly interested in the ability of art to be "at the limits of our understanding" and be open "transformative and challenging." He said he planned to be as "open and as inquisitive as possible" in organizing the exhibition and that he would take an interdisciplinary approach.
Roberta Smith, The New York Times, 28.10.1998


Das Ende der Entdeckungsreisen – Okwui Enwezor wird im Jahr 2002 die erste globale documenta zeigen

Es war kein Zufall, daß die Kommission, die den Leiter für die nächste documenta zu finden hatte, abschließend im Berliner Haus der Kulturen der Welt tagte. Der Ort paßte zur Entscheidung für den teils in New York, teils in Johannesburg lebenden Nigerianer Okwui Enwezor. Seine Ernennung war mutig, aber ebenfalls nicht zufällig. [ ... ] unter seiner Leitung öffnete zwei Wochen nach Schluß der Kasseler documenta am 12. Oktober des vergangenen Jahres in Johannesburg die zweite Biennale Südafrikas. [ ... ] Bei der Biennale interessierte ihn vor allem, wie sich die lokalen Subjekte an den Diskursen über Postkolonialismus, Multikulturalismus und Globalisierung reiben." Sein ausgeprägtes Gespür für die Konflikte von regionalen Traditionen und Universalisierung, sein Mißtrauen gegen harmonisierende Konzepte der Hybridisierung und Vermischung könnten die documenta 11 zu einem Abenteuer der Kommunikation und des Eigensinns machen, zu einem höchst widersprüchlichen Anschauungsfeld für die überforderte Theorie zu den kulturellen Unterschieden in der Welt.
Harald Jähner, Berliner Zeitung, 30.10.1998


Blick von außen – Ein junger Visionär aus Nigeria leitet die nächste Kasseler documenta – die Fachwelt jubelt

Ein " esu ulegba" soll er sein - das ist das Yoruba-Wort für Schlitzohr. Als solches jedenfalls charakterisiert ihn eine südafrikanische Wochenzeitung. Gewieftheit und Cleverness schaden sicher nicht, wenn einer als Außenseiter eine der größten Kunstschauen der Welt stemmen soll - die Documenta des Sommers 2002. Das Schlitzohr heißt Okwui Enwezor, 35, gebürtiger Nigerianer, wohnhaft in New York und Johannesburg, von Beruf Kurator, Kritiker und Dichter. Die Überraschung war groß, als in der vergangenen Woche ausgerechnet Enwezor als neuer Chef des von der Fachwelt stets kritisch beäugten Kunstauftriebs in Kassel vorgestellt wurde. [ ... ] Denn mit Enwezor an der Spitze wird die Documenta 2002 wohl endlich Welt-Kunst statt West-Kunst zeigen. [ ... ] Wird die nächste Documenta nun ihren Besuchern eine Schocktherapie in Sachen außereuropäische Kultur zumuten? Werden Kunstkonsumenten, deren Blick an Videos und eingelegten Haien geschult wurde, hilflos vor Werken aus Holz oder Jute stehen und zagen, weil ihre Kriterien versagen? Es gebe keinen "Umgang mit Kunst", sagt Enwezor, "das ist keine Frage der Moral oder der politischen Korrektheit". Notwendig sei vor allem der Wille, die Werke aus ihren eigenen Zusammenhängen heraus zu verstehen, und das sei eine Reise, die viel Zeit, Disziplin, Geduld und Information" erfordere. "Wenn es einen Schock gibt", so Enwezor, "dann den, daß es keinen einfachen Diskurs mehr über Zentrum und Peripherie gibt."
Spiegel, Nr. 45, 02.11.1998