20. August 2002
20 Uhr
Documenta-Gelände Karlsaue/Kassel


Konzert + Performance:
...AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD
+
JOHN BOCK


Die Kunst in einer Rock’n’Roll-Band zu spielen:
Im Fühjahr erschien mit »Source Tags & Codes« von ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead eine der Rockplatten des Jahres 2002. Überall waren sich Fans und Kritiker einig und vergaben euphorisch Höchstnoten für ein Werk, das sich gleichermaßen bei ausschweifenden Rockepen wie knackigen Punksongs bediente. Die Band aus Austin, Texas verblüffte mit der Tatsache, ihren Ruf als ungezügelte Live-Band ohne Abstriche in ein Studio-Album gepackt zu haben.
Bereits seit ihrer Gründung 1993 schwärmen die Menschen von den Live-Qualitäten der vier Texaner, die vor allem durch ihre gelegentliche Zerstörungswut und die damit einhergehende Intensität der Shows für Aufsehen sorgte. Da fliegen Gitarren durch die Luft, kippen Verstärker um, splittern Scheinwerfer, doch nie hat man den Eindruck einer aufgesetzten Veranstaltung beizuwohnen, sondern Teil einer Performance zu sein, die quasi zwingend in einem derartigen Gefühlsausbruch gipfeln muß. Und selbst wenn dies nicht der Fall ist, Stillstehen scheint bei ihnen unmöglich. Rock’n’Roll zwischen den Polen The Who, Sonic Youth und wüstem US-Punk, der seine Wurzeln gleichsam in roher Energie, visueller und textlicher Konzeptkunst hat. Trail Of Dead sind Rock, sind Theorie, sind Bildersturm und Technologiekritik in einem: Destruction As Beauty.

Der Künstler:
Ein großer Fan und Bewunderer der Band ist John Bock. 1965 in Gribbohm/ Deutschland geboren, lebt und arbeitet er nach seiner Ausbildung an der Hamburger Hochschule für bildende Künste mittlerweile in Berlin. »Wissenschaftliche Denk- und Visualisierungsmodelle sind ebenso Grundlagen von John Bocks Aktionen, die er >Vorträge< nennt, wie verschiedenste Traditionen des Theaters und der Performance. Im Laufe der Zeit entwickelten sich diese zu raumfüllenden Installationen, die als Bühne für Performances genutzt werden. Objekte und gebaute Architektur werden von Bock zu Beginn jeder Ausstellung durch einen Vortrag eingeführt. In oft mehrsprachiger, assoziativer und nicht-logischer Form verknüpft Bock wissenschaftliche Nomenklatur, Literaturfragmente und sprachliche Neuschöpfungen zu einem absurden Text, der das Scheitern des eigenen Versuchs >das theoretisch Kleine ins praktisch Große umzusetzen< (Bock) immer wieder vorführt und thematisiert. Für die Documenta11 setzt Bock seine Arbeit an der Verbindung von Theater und Performance, von medialer Aufzeichnung und direktem Kontakt, fort. In einer großformatigen Installation im Außenraum wird Bock über den gesamten Zeitraum der Ausstellung ein selbstgeschriebenes Theaterstück inszenieren, mit dem eine Vielzahl von anderen Bauten und Aktionen in Kontakt stehen.« (offizieller Infotext) Bock überraschte hierbei unter anderem mit seinem Moped-Vortrag »Molke Me Mind Vehikel«. Ein weiteres Aktionsstück im Rahmen der Documenta11 fand unter dem Titel »Trail of Deutsche Bank« statt. Bock ist eben ein echter Fan.

Die Performance am 20.08.2002:
Alle Bandmitglieder von Trail Of Dead wiederum sind ernsthaft literatur- und kunstbegeistert. Man muß sich nur das Booklet von »Source Tags & Codes«, die darin enthaltenen Zeichnungen und Illustrationen zu den einzelnen Songs anschauen, die allesamt von den vier Texanern selbst angefertigt wurden. Für die Documenta11 hatte John Bock die Idee, Trail Of Dead in seine »Vorträge«, seine Theater-Performance einzubinden. Er mußte nicht lange fragen, schließlich bewundern auch Trail Of Dead die Arbeiten von Bock. Die Besonderheit der Veranstaltung besteht darin, dass Bock das Trail Of Dead-Konzert - wie all seine Performances - live filmen, dann direkt vor Ort schneiden und parallel in einem seiner Showrooms zeigen wird. Geplant ist außerdem der Auftritt der Band in eigens vom Künstler entworfenen Jackets, eine eher spontan entwickelte Performance von John Bock selbst, sowie ein exklusiv für dieses Happening gestaltetes Plakat, das nicht nur ein weiteres Highlight der Documenta11 sein dürfte, sondern beispielhaft für praktizierte, interdisziplinäre Konzertveranstaltungen ist. Hier haben sich zwei Mächte gefunden, die das theoretisch Kleine, ins praktische Große umsetzen werden. Die schaffen das!