Fareed Armaly mit Rashid Masharawi

Donnerstag, 1. 8. 2002, 17.00 bis 19.00 Uhr

Präsentation / Diskussion From/To

Präsentation des Künstlers Fareed Armaly, gefolgt von einer Diskussion zwischen Fareed Armaly, Dr. Helmut Draxler, Kunsthistoriker (München), und Ute Meta Bauer, Co-Kuratorin der Documenta11.

From/To ist eine Kartografie, in und durch die die TeilnehmerInnen den zeitgenössischen Topos Palästina ausmessen und beschreiben. Dem Projekt liegt der Raum der palästinensischen Diaspora nach 1948 zugrunde und es folgt die Beschreibung diasporischer Identität des Soziologen Stuart Hall: „Geschichte hängt von Routen ab. Das bedeutet die Abkehr von den Wurzeln zugunsten der Wege“. Die Methodik des Projekts kreist um den Prozess des Wechsels, der durch den Dialog mit palästinensischen KulturproduzentInnen, sowohl auf dem Gebiet der Medien wie TV und Film als auch auf anderen Gebieten, wie Anthropologie, Geografie und Geschichte eingeführt wird. Alle Arbeiten berühren sich durch den gemeinsamen Bezug auf kommunikative Medien und die Analyse des Raumes, sei es in der Arbeit in Flüchtlingslagern, in mündlich überlieferter Geschichte, in sowohl aktuellen als auch historischen Filmen und Videos, in Vortragsreihen, in der Kartografie, der Geschichte von Postkarten oder aktuellen Webseiten.

Die neue Version von From/To, die für die Documenta11 entwickelt wurde, präzisiert die Version von 1999 und folgt einer neuen, spezifischen Orientierungsachse, die von Fareed Armaly in Zusammenarbeit mit dem in Ramallah lebenden Filmemachers Rashid Masharawi zur Zusammenarbeit etabliert wurde.

1999: erste Version, Witte de With Center for Contemporary Art, Rotterdam.

2002: zweite Version in Zusammenarbeit mit Rashid Masharawi,Documenta11, Kassel.

Ort: Kleines Bali-Kino im Kulturbahnhof Kassel


Donnerstag, 1. 8. 2002, 20.00 bis 22.00 Uhr

Dokumentarfilmproduktion am Beispiel zweier aktueller palästinensischer Filme:
Rashid Masharawi Live from Palestine (2001)
Mai Masri Frontiers of Dreams and Fears (2001)

Der Film Frontiers of Dreams and Fears hat neun Preise auf verschiedenen Filmfestivals gewonnen, zuletzt die Auszeichnung als „Bester Dokumentarfilm“ auf dem International Women’s Film Festival in Turin, Italien 2002 und auf der Biennale des Cinémas Arabes IMA in Paris, Frankreich 2002.

Live From Palestine wird im Rahmen des Documenta11 Filmprogramms gemeinsam mit anderen Filmen von Rashid Masharawi mehrmals gezeigt. Live from Palestine wurde international im Fernsehen gezeigt und wird im Juli 2002 mit dem Spezialpreis der Jury als „Bester Dokumentarfilm in Spielfilmlänge“ auf der Biennale des Cinémas Arabes IMA in Paris ausgezeichnet.

Der Filmvorführung folgt eine Diskussion zwischen den palästinensischen FilmemacherInnen Rashid Masharawi und Mai Masri, die Mark Nash, Co-Kurator der Documenta11, moderieren wird.

(Beide Veranstaltungen finden in englischer Sprache statt.)

Ort: Kleines Bali-Kino im Kulturbahnhof Kassel

Zusätzlich zu »From/To« wird Masharawis Werk auf der Documenta11 im Kinoprogramm präsentiert: Zu sehen sind »Live from Palestine«, Tension« und sein neuester Spielfilm, »A Ticket to Jerusalem«, der am 13. Juni in Kassel Weltpremiere hatte.

Rashid Masharawis Film sind innerhalb des Documenta11 Filmprogramms noch zu folgenden Zeiten zu sehen:

5. August, 22.15
13. August, 17.00
17. August, 22.15
23. August, 17.00
4. September, 22.15
10. September, 17.00

Informationen zu den Filmen:

Rashid Masharawi’s Live from Palestine (2001)
Mai Masri’s Frontiers of Dreams and Fears (2001)

Seit fast fünfzehn Jahren haben die Filme der palästinensischen Filmemacher Rashid Masharawi und Mai Masri zwei besondere Perspektiven eröffnet, die im Besonderen den Raum der Ersten und Zweiten Intifada reflektieren. Innerhalb von From/To zeigen die Filme von Masharawi und Masri einen Blick aus dem Inneren. Sie beschäftigen sich mit spezifisch palästinensischen Anschauungen und Perspektiven, indem sie die reale und virtuelle Topografie palästinensischer Kultur und des Flüchtlingsdaseins untersuchen. Ein Hauptaugenmerk liegt auf dem Ort des Flüchtlingslagers, ob nun in Masharawis Spielfilm Haifa (1995), oder in Mai Masris Dokumentarfilm Children of Shatila (1998). Das Leben in den Camps, der permanente Druck und die Frustration, die aus dem andauernden Belagerungszustand hervorgehen; werden greifbar und anschaulich gemacht. Die Filme zeichnen einfühlsame Porträts von Menschen, die ihren täglichen Beschäftigungen nachgehen, und sich dabei zwischen Camp, Arbeitsplatz und ihren ehemaligen Häusern bewegen. Sie handeln von den Erinnerungen und Sehnsüchten einer Bevölkerung im Zustand der Besatzung, und vom Dialog zwischen den Generationen. Sie erzählen von den Ereignissen der Gegenwart, dem Gewicht der Vergangenheit und den Hoffnungen und Perspektiven auf eine Zukunft, die nicht mehr innerhalb des illegitimen Raums der Camps stattfinden soll, sondern innerhalb der legitimen Grenzen eines palästinensischen Staates.


Rashid Masharawi (1962, Shati Refugee Camp, Gaza Strip)

Masharawis Diskurs verbindet das Filmemachen mit der Gründung kultureller Institutionen in Ramallah - dem »Cinema Production Center« und dem »Mobile Cinema« für Flüchtlingslager. Während seine Spielfilme (»Curfew«, »Haifa«) und seine Dokumentationen (»Live from Palestine«) kritische Anerkennung und diverse Preise erhalten haben, liegt ihr Wert für Masharawi primär in der Stärkung seiner eigenen Position. Er ist der einzige palästinensische Filmemacher der letzten Jahrzehnte, der noch immer in den besetzten Gebieten lebt und arbeitet. Sein Werk beruht gleichzeitig auf seiner Erfahrung des Lebens in Flüchtlingslagern unter israelischer Besatzung, wie auch auf der Reflexion kinematischer Narrative. Die Drehbücher zeichnen sich durch äußerst ökonomische Storylines aus, die dennoch Beziehungen innerhalb komplexer (Macht-)Diagramme ausloten, die aus der Reflexion der harschen Limitierungen tatsächlichen “Eingesperrtseins” hervorgehen.

Live from Palestine
Palestine 2001, 57 mins, BETA

Dieser Dokumentarfilm folgt der täglichen Dynamik von ”Voice of Palestine” (des offiziellen Radiosenders der Palästinensischen Autonomiebehörde), um so einen Blick auf die Rolle dieses neuen palästinensischen Mediums während der Zweiten Intifada zu ermöglichen. Der Film beginnt mit Aufnahmen von Radiojournalisten in den Straßen, die über einen gerade stattfindenden israelischen Angriff berichten, und wird zu einem Netzwerk von Wegen durch private und öffentliche Räume, die alle durch das Programm des Senders führen. Sogar die typischen Hörer-Anrufe nehmen eine neue Bedeutung an, da die Anrufer in verschiedenen Flüchtlingslagern leben. Im Laufe der Zeit entstehen zwischen dem Radiosender und den verschiedenen lokalen Gemeinschaften neue Verbindungen, durch welche die Möglichkeiten und das Potenzial einer im Entstehen begriffenen Identität sichtbar machen. Während des gesamten Films werden immer neue Gebäude der Palästinensischen Autonomiebehörde von israelischen Kampfflugzeugen angegriffen, und die Mitarbeiter des Senders sprechen bei den Redaktionssitzungen offen über ihre Angst vor neuen Angriffen. Der Film ging gerade in den Verleih, als die israelische Armee den Sender besetzte, jeden Raum mit genügend Dynamit ausstattete, um das ganze Equipment zu zerstören, und so die potenzielle ”Stimme” des Senders ausschaltete - auch die Sendebereiche, die in den Camps empfangen werden konnten. Masharawi kehrt in die noch schwelende Ruine des Gebäudes zurück und fügt dem Film einen ungeplanten Epilog hinzu. Live from Palestine wird so vom Bericht über eine Gemeinschaft und einen Radiosender zum Zeugen Zerstörung eines Senders, der so zum Schweigen gebracht wird.


Mai Masri (Amman, 1959)

Mai Masri ist eine palästinensische Filmemacherin, die nach Abschluss ihres Studiums an der San Francisco State University nach Beirut und in die besetzten Gebiete zurückkehrte. Zu ihren Filmen zählen mehrere preisgekrönte Dokumentarfilme über Beirut und Palästina (Hanan Ashrawi - A Woman of Her Time, Children of Shatilah, Children of Fire), die von über 100 Fernsehstationen weltweit ausgestrahlt wurden (darunter BBC, Channel4, PBS, France2, SBS, YLE, MBC und NHK). Zusammen mit ihrem Mann Jean Chamoun gründete sie Nour Productions und MTC.

Ihre neueste Arbeit, Frontiers of Dreams and Fears, wurde mit neun Preisen ausgezeichnet. Kürzlich erhielt der Film den Preis ”Bester Dokumentarfilm” (Internationales FrauenFilmFestival, Turin, Italien 2002; Biennale des Cinémas Arabes IMA in Paris, Frankreich 2002).

Mai Masri

Frontiers of Dreams and Fears (Ahlam El-Manfa) 2001, 57 min.

Der Film zeigt ein umfassendes Porträt des Lebens palästinensischer Kinder in den Flüchtlingslagern von Shatila (Libanon) und Dheisha (West Bank). Die 23 Jahre andauernde Besetzung des Südlibanon durch israelische Truppen führte zu einer kilometerdicken Barriere, welche die Palästinenser nördlich der Besatzungszone von den Israelis trennte. Der plötzliche Rückzug der Besatzer aus dem Libanon im Frühling 2000 hinterliess eine Grenze, die nur mehr aus ein bißchen Stacheldraht bestand, und diese für Worte, aber auch für Kugeln durchlässig machte. Masris Film beobachtet das Leben junger Palästinenserinnen über mehrere Monate hinweg. Jedes einzelne Mädchen stellt gewissermaßen eine Variation des Themas der Enteignung und Vertreibung dar. Doch obwohl die Geschichten tragische Seiten haben, sind sie nicht bloss pathetische Porträts. Das emotionale Fundament dieses Films ist Hoffnung, nicht Verzweiflung.